Reiche zerfallen unter großen Schmerzen

0
Jan Asselyn, Italiensk landskap med ruiner av en romersk bro og akvedukt

Landschaftsmalereien des 17. und 18. Jahrhunderts sollten jedem Grund zum Nachdenken geben. Sie stellen Landschaften Italiens dar, in denen Ziegen und deren Hirten unter Ruinen römischer Aquädukte, Brücken oder Tempeln wandern. An ihnen fasziniert, daß sie ein Bild eines europäischen Gemeinwesens geben, das mehr als 1200 Jahre nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches noch immer nicht das Produktions- und Infrastrukturniveau erreicht hatte, das jenes Reich an seinem Höhepunkt besaß. Erst die industrielle Revolution des 18. Jahrhunderts ermöglichte Europa das Rom der Glanzzeit zu überholen.

Jan Asseliijn, italienische Landschaft mit Ruinen einer römischen Brücke und eines Aquädukts (Ausschnitt)

Die Malereien von Ziegen und Haustieren unter den Ruinen der Infrastruktur und Tempel der Antike sind wie die von Menschen, die sich unter Resten einer hochtechnologischen Zivilisation bewegen, die sie nicht mehr nachzuahmen vermögen. In seiner Glanzzeit hatte eine Million Einwohner. Voraussetzung dafür war eine fortschrittliche Infrastruktur in Bezug auf Wasserversorgung, Transporte, Warenlieferungen, Handel, Lebensmittelversorgung etc.. Die Stadt gab auch ein Bild der damaligen Bauindustrie, die es vermochte, die Unmengen an Baumaterial zu liefern, die eine solche Stadt benötigt. Als das Reich zusammenbrach, konnte die Infrastruktur nicht aufrecht erhalten werden. Warentransport und Handel schrumpften von einem reissendem Strom zu einem kleinen Bächlein. Zwölfhundert Jahre nach seiner Weltmachtstellung war Rom ein von 10 000 Menschen bewohntes Dorf. Die Etrusker und später die Römer hatten die Sümpfe trockengelegt und damit die Malaria zum Verschwinden gebracht. Nach dem Zusammenbruch des Reiches wurden die Kanäle nicht länger in Stand gehalten, was zur Wiederkehr der Malaria führte. Sie wurde erst in den 30-er Jahren des vorigen Jahrhunderts ausgerottet, als die Faschisten für die erneuerte Trockenlegung der Sümpfe sorgten.

Die Gegenwart ist nicht weniger verwundbar. Wir leben in einer Zeit, da ein anderes Reich viele der Zerfallserscheinungen aufweist, die das römische Reich in seiner Schlussphase kennzeichneten. Dies sollte uns zu denken geben.

Die römischen Kaiser mischten so lange mehr und mehr Kupfer und andere unedle Metalle in den Denar und doppelten Denar (Antoninianus) bis er fast kein Silber mehr enthielt. Um einen hohen Gehalt an Silber vorzutäuschen, versilberten sie die Münzen, indem sie diese in ein Bad aus Silbersalzen tauchten, wodurch sie mit einen hauchdünnen silbrigen Schicht überzogen wurden. Das war die Hyperinflation der damaligen Zeit. Die römischen Bürger wollten nicht mehr im Heer dienen, sodaß das Militärwesen auf Söldner umgestellt werden musste. Söldner kommt von Sold, der römischen Goldmünze Solidus, mit der die höheren Chargen entlohnt wurden. Det einfache Legionär oder Soldat einer Hilfstruppe musste sich mit dem nun fast wertlosen Denar bzw. Antoninianus begnügen. So musste ständig neues Geld geprägt werden, um die Soldaten zu bezahlen. Das Reich führte ständig Krieg. Krieg ist teuer. Das Problem löste man durch ständige Prägung neuer Münzen von immer geringerem Metallwert.

Die heutige Welt wird vom Imperium der Vereinigten Staaten dominiert. Der gesamte globale Produktionsapparat, das Finanzsystem, der Welthandel, der Ackerbau, das Energiesystem und so weiter sind davon geprägt.

Quelle: Texas Precious Metals

Um 1971 überschritt das Imperium seinen Zenith. Damals waren die USA gezwungen, den Goldstandard aufzugeben. Seither gründet sich das Wachstum des Imperiums auf ständiges Drucken von neuem Papiergeld und, in letzter Zeit, von digitalem Geld. Die Grundlage des Imperiums ist die globale Anerkennung dieser Symbole als echte Ware. Die Kriege der USA im dritten Jahrtausend wurden zu einem grossen Teil durch Chinas Kauf von amerikanischen Staatsobligationen finanziert, das heißt dadurch, dass China den Vereinigten Staaten Geld lieh.

Entwicklung der amerikanischen Staatsschuld

Das globale Produktions- und Handelssystem ist darauf optimiert, Waren und Komponenten zeitgerecht zu liefern, aber nicht zu früh, sondern ”just in time”. Beispielsweise ist die norwegische Fleischproduktion vollständig abhängig von einem Schiff, das einmal monatlich mit Soja von Brasilien her kommt. Sollte das Schiff einmal nicht kommen, so würde die norwegische Fleischproduktion in einer Krise stecken.

Als im Jahre 2013 der ”Pferdefleischskandal” aufflog, deckte Financial Times auf, wie das europäische Handels- und Transportsystem von Fleisch funktioniert.

Der Betrieb von Schlachthäusern ist kapitalintensiv und hat einen hohen Energieverbrauch. Deshalb vermindert sich die Anzahl der Schlachthäuser, die einen immer mehr global werdenden Markt beliefern. Ihr Marginal ist dünn wie Seidenpapier, sodass sie die Ecken schneiden, wo sie nur können.

Die grossen Lebensmittelketten wollen die billigsten Rohstoffe zu jedem Zeitpunkt einkaufen können. Die Makler hängen ständig an ihren Telefonen, um die besten Einkäufe en gros zu machen. Fiancial Times zitiert Professor Karel Williams von Manchester Business School; er erzählt wie die Kühllaster am Wochenende vor niederländischen Schlachthäusern Schlange stehen, ohne dass deren Fahrer bis zum letzten Augenblick ahnen, wohin die Reise gehen soll. Jeder Makler kauft bei 10 bis 20 Schlachthäusern ein. Eine Woche kauft er an einem Ort, die nächste an einem anderen. Die Verträge können im letzten Augenblick geschlossen werden, damit der Fahrer seine Lieferaufträge bekommt. Wir haben einen endlosen euopäischen Handel, in dem Teile von Tieren in 40-Tonnern herumgefahren werden, sagt Williams.

FAO meint, dass es etwa eine halbe Million für den Ackerbau geeigneter essbarer Pflanzen gibt. Aber die Menschheit hat sich von nur 3 % davon abhängig gemacht.

Die globale Versorgung mit Lebensmitteln ist von 50 Planzenarten abhängig. Es sind nur 12 von ihnen, von denen drei Viertel der aus pflanzlicher Nahrung herrührenden Energie stammt. Konkurrenz und der erhöhte Produktionsbedarf hat zu einer drastischen Verminderung der genetischen Vielfalt geführt. Dieses System beansprucht in exponentiell gesteigertem Masse ständig mehr Energie, mehr Minerale sowie seltene Rohwaren.

Dies hat dazu geführt, daß das heutige Imperium enorm verletzlich ist. Die Landwirtschaft könnte Krisen erleben, so wie die irländische durch die Kartoffelpest im Jahre 1847, als eine Million Menschen an Hunger starben. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie destruktiv und dramatisch eine solche Krise wäre.

Kurz und bündig: Wenn dieses System zusammenbricht, dann wird ähnlich wie im römischen Imperium ein grosser Teil der Infrastruktur kollabieren und es einfach nicht möglich sein, so viele Menschen wie vorher mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Es könnte zu Hungerkatastrofen in einem Ausmaß kommen, wie man es noch nie erlebt hat. Die Welt zählt 37 Megastädte, deren grösste über 30 Millionen Einwohner hat. Bei einem Zusammenbruch der Wasser- oder Energieversorgung oder der Lebensmittellieferungen werden solche Städte unbewohnbar.

Zugang zu Nahrung und Wasser ist eine Grundvoraussetzung. Ohne Nahrung und Wasser können wir nicht leben. Viele unserer Systeme sind jedoch extrem von Öl und seltenen Mineralien abhängig, die immer weniger und weniger werden. Wenn dieses System zusammenbricht, besteht die Gefahr dramatischer Folgen. Nicht zuletzt das Beispiel des römischen Reiches zeigt, daß es lange dauern kann, bevor etwas anderes an dessen Stelle tritt.

Daß der heutige, auf ständigem Wachstum basierende Kapitalismus von geliehener Zeit lebt, ist leicht verständlich. Er ist alles andere als robust und stabil, hingegen verletzlich und instabil. Das ist einer der Gründe für die Notwendigkeit, sich so schnell wie möglich an die Arbeit zu machen, um dieses System abzuschaffen. Und zu lernen, wie ein Gemeinwesen auf eine gesündere und haltbarere Weise betrieben werden kann.

Der Fall Roms

Die Globalisten sowohl rechts als auch links klagen, daß das populistische Volk ihren Globalismus nicht haben wolle, sondern hingegen dermassen ”reaktionär” sei, daß es den Nationalstaat, ortsgebundene Produktion und vieles andere aufrecht erhalten wolle. Es sind jedoch die Globalisten, die russisches Roulette spielen. Es ist deren System, das uns so extrem verwundbar gemacht hat.  Für eine sichere Versorgung mit Lebensmitteln, für lebensfähige ortsgebundene Gemeinwesen, für die Wiederherstellung des materiellen Gleichgewichtes zwischen Gemeinwesen und Natur zu sorgen, das ist in Wahrheit fortschrittlich. Und darin liegt die wahre Zukunft: Es eilt, das Imperium und dessen auf Diebstahl gebautes Wirtschaftssystem zu beseitigen.

Falls dies nicht geschieht, werden vielleicht Landschaftsmaler in einigen hundert Jahren analfabetische Hirten abbilden, die ihre Tiere unter den verkrümmten Resten von Wolkenkratzern und Autobahnbrücken weiden lassen.

 

Übersetzung Gerhard Miksche. Original: Det gjør vondt når imperier brister.

 

Forrige artikkelSaudi-Arabia arresterer prinser og eks-ministre
Neste artikkelKrigen mot ytringsfrihet og kritisk tenkning
Pål Steigan. f. 1949 har jobbet med journalistikk og medier det meste av sitt liv. I 1967 var han redaktør av Ungsosialisten. I 1968 var han med på å grunnlegge avisa Klassekampen. I 1970 var han med på å grunnlegge forlaget Oktober, der han også en periode var styreleder. Steigan var initiativtaker til og første redaktør av tidsskriftet Røde Fane (nå Gnist). Fra 1985 til 1999 var han leksikonredaktør i Cappelens forlag og utga blant annet Europas første leksikon på CD-rom og internettutgaven av CAPLEX i 1997. Han opprettet bloggen steigan.no og ga den seinere til selskapet Mot Dag AS som gjorde den til nettavis. Steigan var formann i AKP(m-l) 1975–84. Steigan har skrevet flere bøker, blant annet sjølbiografien En folkefiende (2013).